BÄCKERSTOLZ
UND ZUNFT
Als immer mehr Menschen in die Städte ziehen, etabliert sich der Bäckerberuf. Das Handwerk ist begehrt und mit seiner Bedeutung wächst auch jene der Zünfte.
Brot wird gebacken seit die Menschheit gelernt hat, Getreide zu Mehl zu verarbeiten. Der Beruf des Bäckers kommt aber erst sehr viel später auf. Die ersten Bäcker in Mitteleuropa tauchen um das 8. Jahrhundert auf. Es sind keine stolzen Meister, sondern arme Kerle, die harte Fronarbeit am Ofen verrichten. Als freier Berufsstand etablieren sich die Bäcker erst, als um das Jahr 1000 immer mehr Menschen in die Städte ziehen. Jeder kann alles und keiner etwas richtig, ist nun kein Rezept mehr, Arbeitsteilung ist angesagt. Es braucht Spezialisten, um hungrige Mäuler mit genügend Brot zu stopfen – was damals heißt: 500 Gramm (statt heute etwa 200) pro Einwohner und Tag. Bäcker sind im Mittelalter also gefragt, der Beruf ist angesehen und begehrt.
Im 12. Jahrhundert kommen daher erste Bäckerzünfte auf, die nicht nur über die Qualität der Ware wachen, sondern auch über den Marktzugang. Brot backen darf in den Städten nur, wer Mitglied der Zunft ist. Auch wegen ihrer strengen Kontrolle war das Bäckerhandwerk ein lukratives, es war aber vor allem Knochenarbeit, wenn etwa der Teig nachts von Hand geknetet werden musste. Daran ändert sich über die Jahrhunderte wenig, an Zunft und Zunftzwang aber sehr wohl. Der zerbröselte im 19. Jahrhundert unter der Woge der Aufklärung. Übrig bleibt allein das Zeichen der Bäckerzunft, das in Schildern und Firmenzeichen von Bäckereien überlebt: die Brezel. Warum gerade sie für den „Beck“ steht, hat einen einfachen Grund: die Brezel ist das Brot gewordene Symbol betender Arme.
Glanzvolle Zeugnisse:
Pokale, Zunftkrüge
und mehr
Reden macht durstig
Wurde bei Zunftversammlungen Bier ausgeschenkt, geschah dies aus aufwändig verzierten Krügen. Dabei galt: Je wichtiger, je reicher die Zunft, desto schöner der Krug. Sonst meist aus Zinn oder Glas bildet dieser weiß glasierte Birnkrug (1763/65) aus Fayence aus der Manufaktur Ludwigsburg eine Ausnahme. Und sind Löwen und Krone noch allgemeine Symbole, lassen Brezel und Gebäck keinen Zweifel aufkommen: dieser Krug gehörte den Bäckern.
Zunftkrug (der Bäcker)
Ludwigsburg (D)
1763–65, Fayence, weiß glasiert
Vom Feinsten
Aus Silber getrieben, gegossen, graviert, ziseliert und vergoldet: Der Deckelpokal, den die Bäckerzunft aus Maulbronn (Baden-Württemberg) 1755 bei Georg Ignatius Christoph Baur in Augsburg in Auftrag gab, sollte Gästen wohl schon vor dem ersten Schluck signalisieren: hier hat die „löbl. Becken Zunfft“ – so heißt es in der Gravur im Deckelrand – das Sagen. Prunk und Machtgehabe sind heutigen Betrachtern fremd, ebenso wie die Inschrift am Deckel. Darin heißt der Pokal schlicht „Gesundheits Becher“.
Zunftpokal (der Bäcker)
Georg Ignatius Christoph Baur
Augsburg (D), 1755
Silber vergoldet
Bäckerlehrbrief auf Pergament
Eferding/Österreich
dat. 1737
Volle Kanne
Über den Ursprung des Begriffes „Schleifkanne“ ist man sich uneinig. Heißen die Kannen so, weil man sie kaum tragen konnte und daher schleifen musste? Oder leitet sich der Begriff vom „Schleifen“, also dem Traktieren der Gesellen ab? Egal, woher der Begriff kommt: Diese Schleifkanne aus Zinn ist ein besonders prächtiges Exemplar. Löwen, Schilde, Landschaften, ja selbst dem Gebäck als Emblem der Bäckerzunft wurde eine Krone aufgesetzt. So unterstreicht eine Zunft ihren Machtanspruch.
Schleifkanne
Jakob Spörl
dat. 1725, Nürnberg (D)
Ein Pokal mit (Sammler-)Geschichte
Empfingen Zünfte Gäste, wurden diese in ganz Mitteleuropa mit Bier aus Zunftkannen oder -pokalen bewirtet. Eine freundschaftliche Geste, zu der die Geschichte des Glaspokals einer fränkischen Bäckerzunft von 1685 so gar nicht passen mag. Der Sammler Rudolf Just hatte, politisch verfolgt, seine umfangreiche Sammlung mit dem Pokal zum Schutz vor Nationalsozialisten und später Kommunisten vergraben. Erst nach seinem Tod gräbt seine Familie die Sammlung Mitte der 1990er-Jahre wieder aus und lässt sie versteigern.
Zunftglas (der Bäcker)
Franken (D)
1685, Glas
Mehr Sein als Schein
Aufwändig gearbeitet, filigran verziert und doch: Das Äußere einer Zunfttruhe (hier eine aus Süddeutschland, datiert 1769) wird ihrem eigentlichen Wert nicht gerecht. Sicher, in ihr wurden die wichtigsten Dokumente einer Zunft – Statuten, Zunftbücher, Siegel, Privilegien – ebenso aufbewahrt wie alles Wertvolle. Für die Zunft hatte sie aber vor allem einen zeremoniellen Wert. War sie geöffnet, tagte die Zunft offiziell, es wurden wichtige Entscheidungen getroffen und wurde ein Gesell zum Meister, hatte er seinen Eid über der geöffneten Truhe zu leisten.
Zunfttruhe (der Bäcker)
Süddeutschland/Österreich
1769, Holz