HUNGER
UND MACHT
Seit Rom mit „Brot und Spiele“ regiert wurde, ist Brot eine politische Waffe. Wer es verteilt, hat Macht und Einfluss. Wird es rationiert, sind die Tage ganz oben gezählt.
Genügend Brot sichert Stabilität, mit zu wenig endet eine Gesellschaft im Chaos. Nicht erst seit es die Römer um die Zeitenwende verstanden haben, ihre Krisen erfolgreich mit panem et circenses zu übertünchen, ist Brot zur politischen Waffe geworden, zur Beruhigungspille für das Volk, aber auch zum Auslöser von Revolutionen. Königin Marie Antoinette wird nachgesagt, die Französische Revolution mit dem Ratschlag losgetreten zu haben, ihre Untertanen sollten doch Kuchen essen, wenn es ihnen an Brot fehle. Das Zitat ist so zwar nie gefallen, allerdings ein Indiz dafür, wie mit Brot Politik gemacht wird. Wer das harte Brot des Volkes kaut, wird als einer der Seinen betrachtet, wer sich dafür aber zu schade ist, schürt den Zorn von unten.
Noch mehr als das ist es der Zugang zu Brot im Sinne von Nahrung, der als Machtinstrument eingesetzt wird. Brot im Überfluss sichert Wohlwollen und dem, der es beschaffen und verteilen kann, Macht und Einfluss. Muss es dagegen rationiert werden, sind die Tage der Machthaber gezählt, wird Feuer an die gesellschaftliche Lunte gelegt. „Frieden, Land und Brot“ fordern 1917 etwa die Bolschewiki in Russland, „Arbeit und Brot!“ skandiert das Volk im gärenden Deutschland der 1920er-Jahre.
Brot steht damit am Ursprung der historisch folgenschwersten Umstürze: als Mangelware, als Slogan, als Forderung, als Symbol. Leider haben diese Revolutionen oft genug selbst dazu beigetragen, dass es am Ende noch knapper wurde und der Kampf um Brot und Macht von neuem begann.