GLAUBE
UND RELIGION
Unabhängig davon, welcher Glaube, welche Religion: Brot ist fast überall eine göttliche Gabe und zentraler Bestandteil von Glauben und Riten, vom alten China bis heute.
Wer in einer hebräischen Bibel nachliest, wie oft darin der Begriff „Brot“ vorkommt, wird auf fast 300 kommen und sogar ein Brotrezept des Propheten Ezechiel finden. Brot ist ein zentrales Konzept des jüdischen und später des christlichen Glaubens: von Adam, der dazu verdammt wird, sein Brot „im Schweiße seines Angesichts“ zu essen, bis zu Jesus, der nach seiner Auferstehung von den Jüngern erkannt wird, weil er das Brot bricht.
Dabei sind Juden und Christen nicht die ersten, die dem Brot eine zentrale Rolle in ihrem Glaubensgeflecht zuweisen. Wo sich Getreide zum Fundament der Landwirtschaft und damit sesshafter Kulturen entwickelt, wird Brot zum Grundnahrungsmittel, das das Überleben sichert. Brot wird damit gleichbedeutend mit Leben und so zum festen Bestandteil von Glaube und Religion.
Dieser Zusammenhang ist aus China bekannt, wo Verstorbenen vor mehr als 2000 Jahren Getreide und alle zur Brotherstellung notwendigen Utensilien als Grabbeigaben mit in die unbekannte Welt des Todes gegeben wurden. Wo immer der Verstorbene weiterleben würde: an Brot sollte es ihm nicht mangeln. Man kann die enge Beziehung zwischen Glaube und Brot aber auch bis zur Wiege der Landwirtschaft im Mittelmeerraum zurückverfolgen. Die stand im fruchtbaren Halbmond, im Nahen Osten also, wo schon die Ägypter mit Osiris einen Gott verehrten, der den Menschen gezeigt hat, wie man Weizen sät, daraus Mehl mahlt und Brot bäckt. Der backende Osiris wurde im alten Ägypten zum Gott der Fruchtbarkeit, zum Gott der Veränderung und konsequenterweise auch zum Totengott. Denn blieb die Weizenernte am Nil aus, waren Tod und Elend die Folgen.
Brot ist fest im Glauben verankert. Es ist die Angst vor Hunger und Tod, die die Menschen – egal welchen Glaubens – eint. Nicht umsonst heißt es im christlichen Grundgebet, dem Vaterunser: „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Es ist eine Bitte, die eine universelle ist – jene, weder leiblich noch geistig verhungern zu müssen.
„Unser tägliches Brot gib uns heute“
Feldwächter
Sierra Leone
16./17. Jahrhundert, Stein
Feldwächter
Sierra Leone
16./17. Jahrhundert, Stein
Feldwächter
Sierra Leone
16./17. Jahrhundert, Stein
Kornmumie
Ägypten
600-400 v. Chr
Holz/Schlamm/Getreidekörner/Binden
Kornmumie
Ägypten
600-400 v. Chr
Holz/Schlamm/Getreidekörner/Binden
Vom Leben zum Tod zum Leben
Nicht von ungefähr ziert der vergoldete Falkenkopf von Osiris diesen Holzsarkophag einer ägyptischen Kornmumie. Osiris galt als Gott des Jenseits und der Wiedergeburt, die Kornmumie als deren Symbol. Sie stand für den ewigen Kreislauf des Getreides, das wächst, geerntet wird, vergeht und wieder wächst. Und sie stand so symbolhaft für den Übergang vom Leben zum Tod und von diesem zu neuem Leben. Der Tod – das glaubten schon die alten Ägypter – ist nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas Neuem.
Kornmumie
Ägypten, 300 v. Chr. – 50 n. Chr.
Holz/Schlamm/ Getreidekörner/Binden
Ähre, wem Ehre gebührt
Von einem unbekannten Meister stammt die aus Lindenholz geschnitzte Maria im Ährenkleid. Wohl um 1500 in Oberösterreich tätig, hat sich der Künstler Anleihen beim Schongauer Altärchen im Ulmer Münster genommen, der 98 Zentimeter hohen Muttergottesfigur aber ungewöhnlich schlanke Linien geschenkt.
Madonna
Oberösterreich (A)
um 1500, Lindenholz
Brot schafft Gemeinschaft
Brot backen war in den Anfängen eine Gemeinschaftsanstrengung – mit Betonung auf beiden Wortteilen. Das zeigt nicht zuletzt das bronzezeitliche Modell einer syro-hethitischen Bäckerei, das den ganzen Zyklus umfasst: zwei Menschen zerstoßen Getreide mit einem Mörser, einer trägt eine Schüssel mit Brotteig und zwei stehen vor einer Backmulde. Dass das Backen zudem ein gesellschaftliches Ereignis war, darauf lassen die drei übrigen Figuren schließen: sie waren Zuschauer.
Syro-hethitische Bäckerei (Modell)
Syrien, Palästina
um 3000 v. Chr., Ton
Maisgott vs. Erdmonster
Leben und Sterben im Lateinamerika der vorinkaischen Zeit (600 bis 1000 n. Chr.) hing von der Maisernte ab. Kein Wunder also, dass man dem Maisgott huldigte. Er sitzt an der Spitze der Stelen aus Stachelpalmenholz, das Erdmonster dagegen am unteren Ende. Und schaut man genauer hin, erkennt man: jeder Pfahl steht für eine Vegetationsstufe des Maises.
Totempfähle
Peru 600–1000 n. Chr.
Stachelpalmenholz
Totempfähle
Peru
600-1000 n. Chr.
Stachelpalmenholz
Totempfähle
Peru
600-1000 n. Chr.
Stachelpalmenholz
Totempfähle
Peru
600-1000 n. Chr.
Stachelpalmenholz
Totempfähle
Peru
600-1000 n. Chr.
Stachelpalmenholz